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Elbphilharmonie – Teil 4

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Erste Probe in voller Besetzung: Erschütterung. Weil da kannst Du Dir das schönste Hippie-Gefühl aufbauen, Freiheiten schaffen, Experimente vorbereiten, den musikalischen Trip auf dein Löschblatt träufeln und dann bei der ersten Probe die Realität: Meteoriteneinschlag. Der Computer zwar auf solidem Ständer. Die Festplatte auf der Erde und ich ganz entspannt im Schneidersitz davor. Aber plötzlich Computer-Aussetzer. Denn wenn der Percussionist die Musik zum Trainieren seines Bizeps nutzt: Feierabend. Der Boden bebt und selbst die externe Platte auf das Sofa zu betten ohne Erfolg. Also heute morgen bestellt: Unterlage zur Schwingungsdämpfung. Findest Du in 5 Minuten im Internet. Ach, ist das schön!

Und dann die modernen Mythen zum Laptop-Musiker: Zum Auftritt nur mit einem USB-Stick.

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Aber Realität: Soviel Zeug, eng gepackt, ist es dann schon. Mythos in diesem Fall widerlegt.

Und: Im Juli sechszig Stunden für die Vorbereitung. Stücke schneiden. Parts definieren. Loops setzen. Samples suchen. Virtuelle Instrumente bauen. Klare Grenzen für Effekte definieren. Alles beschriften. Speichern, testen, durchspielen. Den Mitmusikern Material zum Üben bereitstellen: Alle Songs in sechs Einzelspuren. Alle Parts einzeln. Alle Parts einzeln, und den Bass noch mal extra. Einloggen. Hochladen. Warten. Fehler beim Hochladen. Oder Mailadresse falsch. Ein Musiker Sonderfall: Kein Computer. Also CD brennen, Titel auf Hülle schreiben, Umschlag, Briefmarke, Adresse, Briefkasten.  Alles zwei Mal, weil „Nachzügler“ in der Setlist. Das eigene Setup aufsetzen. Den neuen Gitarrenverstärker („Kemper Profiler“) verstehen und einrichten. Demos für Plattenfirma und Presse erstellen. Gefährliche Regler an den Geräten abkleben. Karten und Hotels für Gäste.

Aber vergessen: Fingernägel schneiden vor der Probe. Weil als Gitarrist zu lange Nägel links quasi Bremsklotz und kein Grip und unmöglich. Kann man leicht vergessen, sollte beim Auftritt aber besser nicht passieren. Also Liste für den Tag des Konzertes: „Nicht vergessen: Essen, Netzteile, Gesichtsausdruck, Fingernägel“.

Und Frösche: Hamburg natürlich Großstadt, aber der Reichel am Rand und hier Probe, dort Bachlauf. Proberaum nicht im 15. Stock, sondern Erdgeschoss, also Natur vor der Tür. Am Ende die Netzteile von der Erde einsammeln. Und vor mir hüpft es. Daumennagelgroß. Haben sich zwei kleine Frösche eingeschlichen. Reichel sofort dabei, quasi Frösche umstellt. Zack, zack, beide gefangen und wieder Freiheit.

Nun hat der Kahneman ein gutes Buch geschrieben: Weil Denken immer Kopf – und Kopf natürlich nicht immer Realität. Ein Kapitel hier besonders interessant, weil jetzt pass auf: Wenn die Katastrophe groß ist, dann Reaktion exakt gleich groß. Hochwasser des Jahrhunderts sieben Meter – die Dämme danach exakt sieben Meter. Aber nächstes Hochwasser natürlich acht Meter und das Gehirn dann überrascht, weil Denkprozess vorher zu schnell. Also langsam denken. Erste Probe bestes Beispiel.

Weitergedacht: Backup? Ja.

Backup fährt aber mit Hauptcomputer in EINEM Fahrzeug zur Veranstaltung. Auto geht in Flammen auf – beide Systeme verbrennen. Hier natürlich einsetzender Wahnsinn, weil beide Computer in unterschiedlichen Fahrzeugen transportieren Jennifer Lopez- plus Mariah Carey-Allüren und die Teppichfarbe von der Backstage zur Bühne plötzlich nicht mehr egal. Aber da kannst Du mal sehen, welche Folgen das Lesen von Büchern hat.

Aber bevor alles noch weiter hochkocht, fahr ich jetzt mal für 4 Tage an die Ostsee und tauche meinen Kopf in´s eiskalte Wasser. Hohwachter Bucht – fantastische Ecke!