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Meine Schüler(innen) sind meine Helden.

„Ich gebe lieber gleich zu, dass ich mit meinen Schülern gern ein wenig prahle. Ich liebe es, über sie zu sprechen, ihren Erfolg zu feiern. Ich mache das (…), weil sie meine Helden sind.“

zitiert aus: Jeff Walker „Launch“

Seit 1999 unterrichte ich Musik. In dieser Zeit durfte ich hunderte Menschen kennenlernen, die mich zum Teil über Jahre hinweg begleitet haben. Manchmal wurden daraus Freundschaften, die bis heute gehalten haben. In anderen Fällen trennten sich unsere Wege wieder, aber Jahre später bekam ich wieder eine Nachricht von ihnen oder eine Einladung zu einem Konzert – was mich dann sehr freute! Noch heute erwische ich mich dabei, dass ich Lieder vor mich hin summe, die von Bands stammen, denen ich bei den ersten Schritten half: „Danke, Julia“ oder „Spazieren gehen“ sind in mein Gehirn eingebrannt und kommen mir bei passenden Gelegenheiten in´s Bewusstsein. Wirkliche Vollpfosten hatte ich zum Glück wenige. Ein Schüler wollte mal seine Gitarre auf meinem Schädel zertrümmern, als ich ihn bat, seine Hausaufgabe vorzuspielen. Als ich mich bei seiner Mutter drüber beschwerte, entgegnete sie mir, ich sei wohl unfähig, einen Linkshänder zu unterrichten. Nebenbei bin ich selbst Linkshänder, aber dieses Detail war ihr wohl entgangen…

Viel lieber erinnere ich mich an die beiden talentierten Mädchen (eine in Kassel, die andere aus Fritzlar), die schon mit 12 Jahren anspruchsvolle Etüden von Fernando Sor nicht nur fehlerfrei, sondern auch mit Musikalität und Ausdruck spielen konnten. Die Schülerin in Buxtehude, die mich mit ihrer Anna-Ternheim-Stimme glatt vom Hocker haute, als wir anfingen Lieder aufzunehmen. Der freundliche junge Gitarrist, der selbst die kompliziertesten Funk-Patterns vom Blatt spielen konnte, jede Woche sechs neue, eigene Lieder anschleppte – und inzwischen eine Frau ist, was sie wohl eigentlich schon immer gewesen war. Der ebenso freundliche Schüler, der mir sogar beim Umzug half – und der bei unserem ersten Kennenlernen knapp einen Meter groß war und nun einen Kopf größer ist als ich. Menschen, die mir Musik mitbrachten, die ihnen gefiel und die meinen Horizont erheblich erweitert hat. Ohne sie hätte ich „Monta“ oder „Madsen“ vielleicht nie entdeckt. Manchmal haben die SchülerInnen ganz erstaunliche Karrieren hingelegt. Andere haben bei mir im Unterricht vielleicht kleine Erfolge erlebt, die ihnen im restlichen Leben nur selten gelangen. Oft genug konnten wir im Unterricht Projekte realisieren, auf die auch ich wahnsinnige Lust hatte: Zum Beispiel das komplette erste Album von „Rage against the machine“ zu spielen.

Würde mir der Datenschutz keine so enge Grenzen setzen, dann hätte ich in diesem Post gerne ein paar Namen untergebracht oder alte Fotos. Von Aufnahmen mal ganz zu schweigen… Daher werde ich hier aus Respekt vor der Privatsphäre im weiteren Verlauf abstrakt bleiben müssen.

Für andere wiederum war der Unterricht eine zeitlang eine rettende Insel in einer schweren Zeit. Für einen Schüler war leider auch das kein Ausweg oder ausreichendes Ventil mehr. Ich habe immer auch versucht, die Menschen vor dem Notenständer zu sehen und ihre Schwingungen aufzunehmen. Ob mir das gelungen ist, mögen sie beantworten. Aber ich bewahre noch immer viele Postkarten, kleine Basteleien und Andenken auf, die von meinen Schülern kamen und die darauf hindeuten, dass es mir zumindest manchmal gelang. Auch an einige ältere oder erwachsene Schüler denke ich gerne zurück. Sowohl deren musikalisches Repertoire als auch die persönliche Ebene waren oft reifer, was an einem Unterrichtsnachmittag mit einem Durchschnittsalter von etwa 13 Jahren sehr angenehm für mich war. Hier bekam ich manchen Buchtipp und manche Lebensweisheit, die mich sehr bereicherten.

Es ist ein Geschenk, dass ich mich noch lebhaft an viele Situationen erinnern kann. Allein mit Anekdoten könnte ich ein Buch füllen. Aber auch einige ernste oder sehr persönliche Gespräche sind mir im Gedächtnis geblieben. Was ich anfänglich nicht wußte: Als Gitarrenlehrer bist Du so ein Mittelding zwischen großem Bruder und Autoritätsperson, bestenfalls. Außerdem habe ich die Angewohnheit, alte Listen mit den Namen meiner SchülerInnen aufzuheben. Ein Blick darauf und schon kommen mir weitere Ereignisse in den Sinn. Des Weiteren pflege ich ein gemeinsames Foto zu machen, wenn mich ein Schüler verläßt. Auch diese Bilder kommen mir gelegentlich vor die Augen.

Solltest Du also ein ehemaliger Schüler von mir sein, dann kannst Du Dir relativ sicher sein, dass ich mich an Dich erinnere.

Und als Serienjunkie interessiere ich mich immer dafür, wie es weitergeht – oder in diesem Fall oft eher: Wie es weitergegangen ist. Bist Du Handball-Profi geworden, wie Du es Dir immer gewünscht hast? Haben Deine Eltern irgendwann Deine Gras-Zucht entdeckt? Fährst Du immer noch mit dem Moped nach Portugal? Ist die Band noch zusammen? Ich würde mich freuen, von Dir zu hören!

Und, mit deiner Erlaubnis, würde ich auch gerne dann hier deine Musik präsentieren.

Bei einem Schüler habe ich schon nachgefragt und sein „O.K.“ dafür bekommen. Mit Marc Romboy verbindet mich seit einigen Jahren schon sehr viel mehr als nur der Unterricht, den ich ihm in der Musiksoftware „Ableton Live“ gebe. Inzwischen darf ich ihn auch bei der musikalischen Umsetzung einiger seiner Projekte zur Seite stehen, was uns gemeinsam schon nach Paris oder in die Elbphilharmonie führte. Die Vorbereitungen für so ein Projekt können dann schon mal ein halbes Jahr dauern. Er steht dann am Ende auf der Bühne, ich trinke in der Backstage Champagner. Da kannst Du jetzt selbst entscheiden, wer den angenehmeren Job am Tag der Premiere hat. Denn wenn es um das Remixen von Debussy, Purcell und Bach geht kommt mir mein Musikstudium endlich mal zu Gute…

Hier das Video vom Debussy-Projekt:

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