Kategorien
Allgemein

Auf Tour #1

Auf Tour sein. 20 Konzerte. Fast nonstop. Roger Waters („Pink Floyd“) hat auf seiner letzten Tour 220 Konzerte gespielt. Dafür muss man gemacht sein. Ich fand ja 20 Konzerte schon aufregend genug. Jeden Tag das Frühstück im Hotel. In den Bus. Zur Halle. Soundcheck. Abhängen. Abendessen. Konzert. Absacker. Hotelzimmer um 0:30 Uhr. Pennen. Wach werden. Frühstück im Hotel. In den Bus. Klingt das aufregend oder öde? Beides. Je nachdem.  Also erzähle ich mal lieber gleich von den Ereignissen, die sich von der Routine unterscheiden.

Um dem Tour-Alltag erträglich zu machen, nehmen viele Musiker Drogen. Inzwischen ist das „Business“ aber viel professioneller geworden und Drogen sind weitestgehend verpönt. Musiker zu sein ist ein Job – und da hat man nüchtern zu erscheinen, um die geforderte Leistung abliefern zu können. So auch meine Philosophie. Ich habe Aufnahmen von Konzerten, bei denen ich jung und breit war. Entsetzlich. Vor Konzerten bin ich immer noch nervös. Da würde Alkohol mich entspannen. Aber für das Konzert selbst ist es Gift, da mein Timing auf der Gitarre schon nach einem Bier merklich schlechter wird. Also ertrug ich die Nervosität vor den Konzerten – um beim Konzert voll da sein zu können. Und dann kam:

Essen. Die Stadt, nicht die Nahrungsaufnahme. Obwohl: Beides. In Essen gab es was zu essen. Das habe ich nicht vertragen. Da war es 18 Uhr. Um 18:21 Uhr war ich grün im Gesicht. Kalter Schweiß auf der Stirn und Magenkrämpfe. Naja, eigentlich habe ich einen stabilen Magen. Weiß ich von meinem ersten Kuba-Trip. Mal ein kleiner Spaziergang könnte helfen. Hat aber nicht geholfen. Um 19:15 Uhr zurück an der Halle. „Venue“ sagen die Profis. Die haben eh so ein eigenes Vokabular, da merkst Du gleich, wer regelmäßig auf Tour ist. Also die „Lichtburg“ in Essen ja eigentlich schön. Aber mit Magenkrämpfen dann doch auch wieder nicht so schön. Inzwischen 19:45 Uhr. Da machst Du Dir schon irgendwann Sorgen, wie Du die Show spielen sollst. Nun war ich ja nur Teil der Band und nicht der Hauptakteur im Rampenlicht. Sollte ich also kurzfristig während des Konzertes von der Bühne müssen, um meinen Mageninhalt zu leeren, hätte das vermutlich schon irgendwie gehen können, ohne die Show zu unterbrechen. „Unterbrechen“ jetzt natürlich unverhofft gut passendes Wort dafür. Aber um 19:56 Uhr kommt der Posaunist mit einem Notfallplan um die Ecke. Single Malt Whiskey. Da hätte ich ja auch schon selbst drauf kommen können. Weil in Kuba nach der Pizza ja auch der Rum. Aber Kuba natürlich Urlaub und keine Konzertsituation, wo Du die Achtelnoten halten musst. Jedenfalls das Glas eher für Cola oder Mineralwasser. Aber keine Cola und kein Mineralwasser, sondern Single Malt Whiskey. Aber da kannst Du mal wieder sehen, welchen Unterschied es macht, wenn Leute regelmäßig auf Tour sind. Die kennen sich da aus. Um 19:57 Uhr hatte ich also 0,2l Whiskey im Magen. Um 19:58 Uhr war das Unwohlsein verschwunden. Um 19:59 Uhr war ich total betrunken. Um 20:00 Uhr haben wir die Bühne betreten und eine solide Show abgeliefert.

Zur Sicherheit habe ich um 21:09 Uhr noch ein weiteres Mineralwasserglas mit Whiskey getrunken – man will ja kein Risiko eingehen. Irgendwie habe ich den Abend über die Bühne gebracht. Bin auf die Aufnahme gespannt. Wir haben jeden Abend (in Einzelspuren) aufgenommen. Ich befürchte, wenn ich meine Gitarrenspur anhöre, kann man sie doppelt hören.

Im Rückblick natürlich immer lustig. Aber die Details: Da musst Du nach dem Konzert natürlich noch Deine Sachen packen. Die Zimmerkarte vom Hotel. Das Handy. Das Netzteil vom MacBook nicht vergessen. Dann hat Dich der Alltag ganz schnell wieder. Und wenn Du nach einem solchen Abend, der Dich an Deine Grenzen gebracht hat, morgens aufwachst, fährst Du mit dem Aufzug zum Frühstücksbüffet. Steigst danach in den Bus. Und fährst zum nächsten „Venue“.