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Auf Tour #3

Die vielen Städte auf Tour. Da stellt sich ja die Frage: Wieviel bekommt man davon eigentlich zu sehen?

Zwischen Ankunft im Hotel und Soundcheck ist etwas Zeit. Zwischen Abendessen und Konzert auch. Nach dem Konzert noch „die Stadt unsicher machen“? Eher nicht. Also: Was ist hängen geblieben?

In Lübeck zu Niederegger – Marzipan kaufen. Lübeck kenne ich gut. Einmal bei der „Schiffergesellschaft“ vorbei und die aktuelle Speisekarte studiert. Mainz? Nie zuvor gewesen. Überraschend schön. Besonders mit klassischer Musik im Kopfhörer. Chris Thile spielt „Bach“. Dazu die mittelalterliche Stadt. Paßt. Vor schönen Schaufenstern gestanden. Und alle Geschäfte bereits geschlossen. In Mannheim: Spaziergang über den Friedhof – weil er nah beim Hotel war. Hannover: SSD-Festplatten kaufen beim „Saturn“. Köln kenne ich wieder gut. Schuhe kaufen. Meyersche Buchhandlung am Neumarkt: „Alte Meister“ von Thomas Bernhardt für den Posaunisten kaufen. Nürnberg: Weit ausserhalb der Stadt ein Spaziergang durch ein wenig attraktives Industriegebiet. Osnabrück – Plattenladen und Antiquariat. Bremen: Entlang der Weser, Sögestrasse, Handabdruck von Pizarro und Stadtführung für die Mitmusiker, die Bremen nicht so gut kennen. Düsseldorf: Fotografieren im Hafen. Husum: Wochenmarkt im Regen. Dresden: Freunde treffen, kubanische Bar und vietnamesisches Restaurant. Leipzig: Kupferstiche in den Rathaus-Arkaden gekauft. Thomaskirche. Bach-Grab. Bach-Fanshop geplündert.

Wieviele Klamotten packt man ein für einen Monat auf Tour? Für jeden Tag ein T-Shirt und frische Socken? Falsch. Für jeden Tag brauchst Du zwei Mal Klamotten, denn Du willst ja nicht mit Konzertkleidung nach dem Konzert rumlaufen. Durchgeschwitzt. Also großer Koffer. Für 20 Tage Tour daher eher für 40 Tage dabei. Ja: Ich war vor der Tour shoppen. Jetzt besitze ich 40 Unterhosen und 40 Paar Socken. Entsprechend groß der Koffer auf Tour. Und dann kaufst Du Schuhe. Und Kupferstiche. Und noch so einiges anderes. Irgendwann geht der Koffer einfach nicht mehr zu. In der Mitte der Tour einen Tag frei. Freunde treffen in Frankfurt und dort privat übernachten. Waschmaschine und Trockner! Es hätte also doch gereicht, nur für 20 Tage zu packen. Wußte ich vorher nicht. Nach der Tour habe ich mir einen Trockner gekauft. Darin sind die T-Shirts aus dem Bach-Fanshop eingelaufen.

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Auf Tour #2

Jedes Konzerthaus ist anders. Das Catering. Die Mitarbeiter. Das Publikum. Die Stadt drumherum. Vor allem aber: Der Sound.

Es gibt „das Amphitheater“. Die „Mehrzweckhalle“. Den „Club“. Was ich spiele klingt immer gleich. Es kommt aus meinem Computer. Ich verwende für meine Gitarre keinen Verstärker, sondern einen „Kemper“: Ein digitales Gerät, das verschiedene Verstärker simuliert und daher in jedem Raum den gleichen Sound ausspuckt, da keine Mikrofone zum Abnehmen einer Lautsprecherbox mehr im Spiel sind. Was ich während des Konzertes höre, hängt nicht mehr von Monitorboxen ab – denn ich habe einen „Knopf“ im Ohr oder Kopfhörer auf, die mich von der Außenwelt abschotten und mir eine optimale Hörsituation bieten.

Und trotzdem. Ist die Bühne hohl (wie in Bremen) – nehme ich über meinen Körper Schwingungen wahr, die manchmal so stark wie bei einem Schiff in schwerer See ausfielen. War die Bühne solide (wie in Husum oder Osnabrück) – hatte ich tatsächlich festen Boden unter den Füssen. Und dann die Beschaffenheit der Wände: Waren es Teppich-ähnliche Materialien, kam nichts aus dem Zuschauerraum zurück. Waren es Beton- oder Ziegelwände (wie in Dresden) – spielte ich eine Note auf der Gitarre und konnte sie gefühlte zwei Sekunden später zurückprallen hören – trotz des eigentlich außenweltabschirmenden Knopfes im Ohr. In diesen Fällen ist es so gut wie unmöglich, eine gute Show zu spielen, denn man hat nur zwei gleichermaßen schlechte Alternativen zur Wahl: Man hört sich entweder selbst mit Verzögerung (und wird dadurch beim Spielen so irritiert, dass man den Rhythmus nicht mehr „tight“ durchhalten kann…) – oder macht den „Knopf im Ohr“ so laut, dass man die Verzögerung aus der Halle kaum noch wahrnimmt. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden.

Seitdem habe ich einen, nur sehr langsam milder werdenden, Tinitus (also Piepston) im Ohr. Wie muss es Leuten ergangen sein, bevor es diese „Knopf im Ohr“-Technik gab? Wie muss es sein, wenn man nicht 20 sondern 200 Konzerte spielt? Es gibt eine Band namens „Fischer-Z“. Von denen gibt’s einen Song:“Going deaf for a living“. Ich glaube, da geht’s genau darum. Sicher bin ich mir nicht. Die habe ich gehört, bevor ich richtig Englisch konnte. Deswegen hab ich die Texte seinerzeit nicht wirklich verstanden.

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Auf Tour #1

Auf Tour sein. 20 Konzerte. Fast nonstop. Roger Waters („Pink Floyd“) hat auf seiner letzten Tour 220 Konzerte gespielt. Dafür muss man gemacht sein. Ich fand ja 20 Konzerte schon aufregend genug. Jeden Tag das Frühstück im Hotel. In den Bus. Zur Halle. Soundcheck. Abhängen. Abendessen. Konzert. Absacker. Hotelzimmer um 0:30 Uhr. Pennen. Wach werden. Frühstück im Hotel. In den Bus. Klingt das aufregend oder öde? Beides. Je nachdem.  Also erzähle ich mal lieber gleich von den Ereignissen, die sich von der Routine unterscheiden.

Um dem Tour-Alltag erträglich zu machen, nehmen viele Musiker Drogen. Inzwischen ist das „Business“ aber viel professioneller geworden und Drogen sind weitestgehend verpönt. Musiker zu sein ist ein Job – und da hat man nüchtern zu erscheinen, um die geforderte Leistung abliefern zu können. So auch meine Philosophie. Ich habe Aufnahmen von Konzerten, bei denen ich jung und breit war. Entsetzlich. Vor Konzerten bin ich immer noch nervös. Da würde Alkohol mich entspannen. Aber für das Konzert selbst ist es Gift, da mein Timing auf der Gitarre schon nach einem Bier merklich schlechter wird. Also ertrug ich die Nervosität vor den Konzerten – um beim Konzert voll da sein zu können. Und dann kam:

Essen. Die Stadt, nicht die Nahrungsaufnahme. Obwohl: Beides. In Essen gab es was zu essen. Das habe ich nicht vertragen. Da war es 18 Uhr. Um 18:21 Uhr war ich grün im Gesicht. Kalter Schweiß auf der Stirn und Magenkrämpfe. Naja, eigentlich habe ich einen stabilen Magen. Weiß ich von meinem ersten Kuba-Trip. Mal ein kleiner Spaziergang könnte helfen. Hat aber nicht geholfen. Um 19:15 Uhr zurück an der Halle. „Venue“ sagen die Profis. Die haben eh so ein eigenes Vokabular, da merkst Du gleich, wer regelmäßig auf Tour ist. Also die „Lichtburg“ in Essen ja eigentlich schön. Aber mit Magenkrämpfen dann doch auch wieder nicht so schön. Inzwischen 19:45 Uhr. Da machst Du Dir schon irgendwann Sorgen, wie Du die Show spielen sollst. Nun war ich ja nur Teil der Band und nicht der Hauptakteur im Rampenlicht. Sollte ich also kurzfristig während des Konzertes von der Bühne müssen, um meinen Mageninhalt zu leeren, hätte das vermutlich schon irgendwie gehen können, ohne die Show zu unterbrechen. „Unterbrechen“ jetzt natürlich unverhofft gut passendes Wort dafür. Aber um 19:56 Uhr kommt der Posaunist mit einem Notfallplan um die Ecke. Single Malt Whiskey. Da hätte ich ja auch schon selbst drauf kommen können. Weil in Kuba nach der Pizza ja auch der Rum. Aber Kuba natürlich Urlaub und keine Konzertsituation, wo Du die Achtelnoten halten musst. Jedenfalls das Glas eher für Cola oder Mineralwasser. Aber keine Cola und kein Mineralwasser, sondern Single Malt Whiskey. Aber da kannst Du mal wieder sehen, welchen Unterschied es macht, wenn Leute regelmäßig auf Tour sind. Die kennen sich da aus. Um 19:57 Uhr hatte ich also 0,2l Whiskey im Magen. Um 19:58 Uhr war das Unwohlsein verschwunden. Um 19:59 Uhr war ich total betrunken. Um 20:00 Uhr haben wir die Bühne betreten und eine solide Show abgeliefert.

Zur Sicherheit habe ich um 21:09 Uhr noch ein weiteres Mineralwasserglas mit Whiskey getrunken – man will ja kein Risiko eingehen. Irgendwie habe ich den Abend über die Bühne gebracht. Bin auf die Aufnahme gespannt. Wir haben jeden Abend (in Einzelspuren) aufgenommen. Ich befürchte, wenn ich meine Gitarrenspur anhöre, kann man sie doppelt hören.

Im Rückblick natürlich immer lustig. Aber die Details: Da musst Du nach dem Konzert natürlich noch Deine Sachen packen. Die Zimmerkarte vom Hotel. Das Handy. Das Netzteil vom MacBook nicht vergessen. Dann hat Dich der Alltag ganz schnell wieder. Und wenn Du nach einem solchen Abend, der Dich an Deine Grenzen gebracht hat, morgens aufwachst, fährst Du mit dem Aufzug zum Frühstücksbüffet. Steigst danach in den Bus. Und fährst zum nächsten „Venue“.

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Neue Musik, die ich aktuell mache

Es kann schon erschreckend sein, alte Festplatten aufzuräumen. Und gleichzeitig kann man dabei wunderbar sentimental werden. Ich habe inzwischen einen Werkzeugkoffer voller Festplatten. Blaue. Silberne. Schwarze. Große und kleine. Leider funktionieren noch alle.

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Und so fand ich im letzten Jahr viele Musikstücke wieder, die ich im Zeitraum 2001 – 2017 gemacht habe. Manchmal ganze Lieder. Manchmal nur kleine Skizzen. Oder nur die Aufnahme einer Idee mit einer interessanten Akkordfolge. In meiner Zeit als Gitarrenlehrer an der Musikschule hatte ich oft meinen Computer dabei. Beim Stimmen der SchülerInnen-Gitarre wanderten meine Finger oft noch einmal kurz und spontan von einem Akkord zum nächsten, um die Stimmung zu überprüfen. Es kam vor, dass aus dem Nichts etwas Interessantes auftauchte. Da war also etwas drin, was mich gereizt hatte. Dank des Computers konnte ich schnell kleine Audio-Notizen machen. Denn, das hatte ich bereits herausgefunden, Ideen sind flüchtig. So schnell, wie sie gekommen sind, können sie auch wieder weg sein. In den 90er Jahren habe ich noch von unterwegs meinen eigenen Anrufbeantworter vollgesungen…

Bei anderen Gelegenheiten saß ich tief in der Nacht eher schräg als gerade vor dem Mikrofon und hörte dabei tief in mich hinein. Das Mikrofon war dabei eher schlecht, der Wein hingegen gut – und mein Wissensstand in Bereich „Musikproduktion“ ein ganz anderer als heute. Überflüssig zu erwähnen, dass die Ergebnisse oft eher unausgeschlafen klangen.

Vieles davon hatte ich völlig vergessen. Oft zu Recht. Aber mache kurze Aufnahme ließ mich aufhorchen: Da ließe sich doch was draus machen! Also habe ich im Sommer 2018 damit angefangen, alte Lieder neu zu machen. Manchmal stolperte ich bei den alten Texten über eine Zeile, die mir nicht mehr gefiel oder der ich sogar ganz entschieden inhaltlich widersprechen mußte. Dann wurde hier neu gedichtet und anschließend neu aufgenommen. Denn inzwischen habe ich auch ein besseres Mikrofon. Außerdem hat sich die digitale Technik nicht zu meinem Nachteil weiterentwickelt. Es gibt jetzt Werkzeuge, mit denen klinge ich wie ein Sänger.

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Meine Schüler(innen) sind meine Helden.

„Ich gebe lieber gleich zu, dass ich mit meinen Schülern gern ein wenig prahle. Ich liebe es, über sie zu sprechen, ihren Erfolg zu feiern. Ich mache das (…), weil sie meine Helden sind.“

zitiert aus: Jeff Walker „Launch“

Seit 1999 unterrichte ich Musik. In dieser Zeit durfte ich hunderte Menschen kennenlernen, die mich zum Teil über Jahre hinweg begleitet haben. Manchmal wurden daraus Freundschaften, die bis heute gehalten haben. In anderen Fällen trennten sich unsere Wege wieder, aber Jahre später bekam ich wieder eine Nachricht von ihnen oder eine Einladung zu einem Konzert – was mich dann sehr freute! Noch heute erwische ich mich dabei, dass ich Lieder vor mich hin summe, die von Bands stammen, denen ich bei den ersten Schritten half: „Danke, Julia“ oder „Spazieren gehen“ sind in mein Gehirn eingebrannt und kommen mir bei passenden Gelegenheiten in´s Bewusstsein. Wirkliche Vollpfosten hatte ich zum Glück wenige. Ein Schüler wollte mal seine Gitarre auf meinem Schädel zertrümmern, als ich ihn bat, seine Hausaufgabe vorzuspielen. Als ich mich bei seiner Mutter drüber beschwerte, entgegnete sie mir, ich sei wohl unfähig, einen Linkshänder zu unterrichten. Nebenbei bin ich selbst Linkshänder, aber dieses Detail war ihr wohl entgangen…

Viel lieber erinnere ich mich an die beiden talentierten Mädchen (eine in Kassel, die andere aus Fritzlar), die schon mit 12 Jahren anspruchsvolle Etüden von Fernando Sor nicht nur fehlerfrei, sondern auch mit Musikalität und Ausdruck spielen konnten. Die Schülerin in Buxtehude, die mich mit ihrer Anna-Ternheim-Stimme glatt vom Hocker haute, als wir anfingen Lieder aufzunehmen. Der freundliche junge Gitarrist, der selbst die kompliziertesten Funk-Patterns vom Blatt spielen konnte, jede Woche sechs neue, eigene Lieder anschleppte – und inzwischen eine Frau ist, was sie wohl eigentlich schon immer gewesen war. Der ebenso freundliche Schüler, der mir sogar beim Umzug half – und der bei unserem ersten Kennenlernen knapp einen Meter groß war und nun einen Kopf größer ist als ich. Menschen, die mir Musik mitbrachten, die ihnen gefiel und die meinen Horizont erheblich erweitert hat. Ohne sie hätte ich „Monta“ oder „Madsen“ vielleicht nie entdeckt. Manchmal haben die SchülerInnen ganz erstaunliche Karrieren hingelegt. Andere haben bei mir im Unterricht vielleicht kleine Erfolge erlebt, die ihnen im restlichen Leben nur selten gelangen. Oft genug konnten wir im Unterricht Projekte realisieren, auf die auch ich wahnsinnige Lust hatte: Zum Beispiel das komplette erste Album von „Rage against the machine“ zu spielen.

Würde mir der Datenschutz keine so enge Grenzen setzen, dann hätte ich in diesem Post gerne ein paar Namen untergebracht oder alte Fotos. Von Aufnahmen mal ganz zu schweigen… Daher werde ich hier aus Respekt vor der Privatsphäre im weiteren Verlauf abstrakt bleiben müssen.

Für andere wiederum war der Unterricht eine zeitlang eine rettende Insel in einer schweren Zeit. Für einen Schüler war leider auch das kein Ausweg oder ausreichendes Ventil mehr. Ich habe immer auch versucht, die Menschen vor dem Notenständer zu sehen und ihre Schwingungen aufzunehmen. Ob mir das gelungen ist, mögen sie beantworten. Aber ich bewahre noch immer viele Postkarten, kleine Basteleien und Andenken auf, die von meinen Schülern kamen und die darauf hindeuten, dass es mir zumindest manchmal gelang. Auch an einige ältere oder erwachsene Schüler denke ich gerne zurück. Sowohl deren musikalisches Repertoire als auch die persönliche Ebene waren oft reifer, was an einem Unterrichtsnachmittag mit einem Durchschnittsalter von etwa 13 Jahren sehr angenehm für mich war. Hier bekam ich manchen Buchtipp und manche Lebensweisheit, die mich sehr bereicherten.

Es ist ein Geschenk, dass ich mich noch lebhaft an viele Situationen erinnern kann. Allein mit Anekdoten könnte ich ein Buch füllen. Aber auch einige ernste oder sehr persönliche Gespräche sind mir im Gedächtnis geblieben. Was ich anfänglich nicht wußte: Als Gitarrenlehrer bist Du so ein Mittelding zwischen großem Bruder und Autoritätsperson, bestenfalls. Außerdem habe ich die Angewohnheit, alte Listen mit den Namen meiner SchülerInnen aufzuheben. Ein Blick darauf und schon kommen mir weitere Ereignisse in den Sinn. Des Weiteren pflege ich ein gemeinsames Foto zu machen, wenn mich ein Schüler verläßt. Auch diese Bilder kommen mir gelegentlich vor die Augen.

Solltest Du also ein ehemaliger Schüler von mir sein, dann kannst Du Dir relativ sicher sein, dass ich mich an Dich erinnere.

Und als Serienjunkie interessiere ich mich immer dafür, wie es weitergeht – oder in diesem Fall oft eher: Wie es weitergegangen ist. Bist Du Handball-Profi geworden, wie Du es Dir immer gewünscht hast? Haben Deine Eltern irgendwann Deine Gras-Zucht entdeckt? Fährst Du immer noch mit dem Moped nach Portugal? Ist die Band noch zusammen? Ich würde mich freuen, von Dir zu hören!

Und, mit deiner Erlaubnis, würde ich auch gerne dann hier deine Musik präsentieren.

Bei einem Schüler habe ich schon nachgefragt und sein „O.K.“ dafür bekommen. Mit Marc Romboy verbindet mich seit einigen Jahren schon sehr viel mehr als nur der Unterricht, den ich ihm in der Musiksoftware „Ableton Live“ gebe. Inzwischen darf ich ihn auch bei der musikalischen Umsetzung einiger seiner Projekte zur Seite stehen, was uns gemeinsam schon nach Paris oder in die Elbphilharmonie führte. Die Vorbereitungen für so ein Projekt können dann schon mal ein halbes Jahr dauern. Er steht dann am Ende auf der Bühne, ich trinke in der Backstage Champagner. Da kannst Du jetzt selbst entscheiden, wer den angenehmeren Job am Tag der Premiere hat. Denn wenn es um das Remixen von Debussy, Purcell und Bach geht kommt mir mein Musikstudium endlich mal zu Gute…

Hier das Video vom Debussy-Projekt:

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Workshop in der Elbphilharmonie

Sampling. In neuen Räumen. Hier gingen wir mit Audio-Recordern durch das gesamte Haus und nahmen alles auf, was uns vor´s Mikro kam.

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Vielen Dank an Reimut von Ableton für die Initiative! Vielen Dank an Stefan Feuerhake, der mir in diesem Workshop assistiert hat!

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Elbphilharmonie – Teil 7

Das war´s.

Und wie war´s? Schwer zu sagen, weil die Adjektive natürlich immer schwieriger als Verben. Verben sind einfach: Hinfahren, aufbauen, einstellen, spielen, abbauen, wegfahren. Aber Adjektive sind immer so ein Ding. Da triffst Du vielleicht nur knapp daneben und dann eben nicht Volltreffer, sondern eher Querschläger.

Nun kannst Du den Abend auf viele Arten erzählen: Chronologisch. Emotional. Technisch. Du kannst die Eindrücke der Zuschauer an den Anfang stellen, da ich z.B. die Lichteffekte von der Bühne aus nicht erkennen konnte. Kurz liebäugelte ich mit dem Gedanken, das verwendete Equipment sprechen zu lassen: Weil das Case vom Andi und erste Band, die Gitarre vom Fabi und der Koffer von Musikland in Bremen, der Aufkleber New York 2010, der Verzerrer 1988 in Notting Hill, der Bildschirm früher in der Küche, das Plektrum von Sandra handgefeilt, und somit eigentlich das ganze bisherige Leben mit auf der Bühne. Und völlig bizarr: Der Reichel vor sich das Orginal-Pedalboard, mit dem ich bis 1993 unterwegs war:

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Ich fange mal am Ende an: Um 0:30 Uhr zu Hause alles ausgeladen, die Babysitterin nach Hause geschickt und dann den Sekt mit der Freundin geköpft. Die Tochter natürlich alles verschlafen, weil Punkt acht das Licht aus.

Um 23:30 Uhr das Auto voll beladen mit Musikequipment im Wert von tausenden Euro aus dem Elbphilharmonie-Parkhaus gefahren – und direkt in der nächsten dunklen und verlassenen Seitenstrasse abgestellt, dazu das Portemonnaie offen sichtbar auf dem Beifahrersitz gelassen. Da merkst Du schon, der Kopf nicht mehr so ganz die Höchstleistung, aber alles noch mal gut gegangen. Aber warum überhaupt geparkt? Weil die Freundin.

Auf der Bühne bist Du natürlich unter Anspannung, aber Konzert auch für die Freunde und Familie im Publikum immer eine Nervensache, frage nicht. Da mußt Du Dich schon auch einmal fragen, wie es wohl der Frau vom Maradona ging, als er die „Hand Gottes“ spielte. Oder was der Vater vom Gagarin oder Armstrong sich gedacht hat, als der Sohn mit der Rakete losging. Da brauchte meine Freundin nach dem Ende des Konzertes auch den Riesling, um die Anspannung abzubauen und da stellst Du das Auto natürlich schon hin, um sie aus der Bar abzuholen.

Nun denkst Du vielleicht, wer in der Elbphilharmonie spielt, braucht nur die Musik im Kopf und in der Seele und alles andere egal. Aber das wahre Leben natürlich immer anders: Da triffst Du nach dem Konzert den Kubaner, der den Wirbelsturm in den Knochen hat. Ein Mitglied der Crew an diesem Abend telefoniert mit der Hand an der Stirn und fassungslosem Gesichtsausdruck, weil die Tochter was verschluckt und dann die Luft nicht mehr bekommen hat und zur Notaufnahme. Zum Glück in beiden Fällen mit dem Schrecken davon gekommen, aber frage nicht.

Und auch sportlich: 60 Minuten nach Konzertende muß Bühne und Backstage geräumt sein. Da weißt Du jetzt schon: Mein Auto zu diesem Zeitpunkt noch in der Parkgarage. Und auf der Bühne die Gitarren, die Computer, die Racks und 1 Kubikmeter Kabel. Viele Meter hinter der Bühne die Gitarrenkoffer, die Computerhülle, die Rackdeckel und die Kabelkiste. Aber im Backstage-Raum auch noch die Klamotten, die ungegessene Banane, das Ladekabel, der Rucksack. Und an der Bar vor dem großen Saal warten derweil die Familie und Freunde, die Dir gratulieren wollen. Und an der Bar in der Backstage trudeln reichlich interessante Leute ein. 60 Minuten.

Aber zum Glück das Mobiltelefon: Da kannst Du den Freunden und der Familie eine Nachricht schicken: „Muss jetzt erstmal schnell meine Sachen packen…“ Und mein lieber Freund Haroon mal wieder schnell geschaltet. Aber nicht nur Geistesblitz, sondern auch eiskalt. Weil die Security bei Konzerten immer etwas übermotiviert und da kannst Du bitten oder betteln und einen Schein falten, da kommst Du niemals vorbei an den grimmigen Wächtern zum Mick oder zum Keith. Und Elbphilharmonie nicht nur Konzerthaus, sondern quasi F.B.I.-Zentrale oder Oval Office. Aber der Haroon natürlich trotzdem irgendwie vorbeigekommen und durch die verschiedenen Sicherheitsschleusen und mir die Rackdeckel mitgebracht, weil der hat dieses Ding, der müsste sich nicht im Hochhaus eines Schulbuchverlages in Dallas verstecken, der würde einfach in der Limousine beim Präsidenten zusteigen. Aber nur so konnte ich alles in 60 Minuten in mein Auto bekommen.

Und davor das Konzert: Da stehst Du nun. Nach all der Vorbereitung. Und die Show fängt an. Und es bündelt quasi dein ganzes vorheriges Leben: Die Banderfahrungen, die Gitarre, das Djing, die Computersache und das leiten klassischer Ensembles. Alle diese Aspekte sind heute Abend Teil meines Jobs. Aber es ist kein Job. Es ist die Elbphilharmonie. Da willst Du auch einfach nur jede Sekunde aufsaugen und deinen Spaß haben, denn besser kann es wohl nicht mehr werden. Da habe ich mich schon vorher gefragt, ob ich wohl den Tunnelblick kriegen werde, um die Aufgabe gut zu erledigen oder ob ich noch die Antennen ausfahren kann. Aber beim Konzert dann die Aufgabe mühelos – die Einsätze geben, die Gitarre und den Push spielen ganz einfach und der Kopf ganz frei für den Moment. Im Kopfhörer das wichtige Metronom zu hören, aber ich hatte mir auch ein optisches Metronom programmiert, also vier Lichter, die immer „1, 2, 3, 4“ anzeigten. Daher beste Momente: Kopfhörer runter, 360 Grad umschauen, Situation und Sound auf sich wirken lassen und dann weiter im Programm. Was ich bei diesen Gelegenheiten hörte, hätte für meinen Geschmack noch einen kleinen Tick besser abgemischt sein können, aber nun darfst Du eines nicht vergessen: Neue Stücke, neues Team und erster Auftritt. Wenige Proben mit anderer Technik, keine Test-Konzerte. Alles mit glühend-heisser Nadel gestrickt. Dafür haben wir es äußerst souverän gemacht und beim ersten Mal natürlich keine Experimente und Risiken. Und das ich mich auf der Bühne so locker und frei fühlen würde, hätte ich nicht gedacht. Ein Kind im Bonbon-Laden nichts dagegen.

Vor dem Konzert die Frikadelle mit Brötchen und Senf. Einspielen im eigenen Dressing-Room mit Blick über die Stadt, Couch, Fernseher, Kaffeemaschine, frischem Obst und grandiosem Sonnenuntergang. Beste Backstage ever.

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Um 19:52 Uhr steht die Band schon versammelt am Bühnenaufgang. Da fällt dem Reichel ein: Der Cognac! Also alle zurück in die Umkleide vom Reichel, wo neben einem Steinway schon fünf Cognac-Schwenker bereitstanden. Spätestens hier wird klar: Wir machen hier etwas, wo es um mehr geht als „Dienste“ (übliche Vokabel bei Orchestermusikern), eine „Show“ oder Arbeit. Es ist ein Traum, hier heute sein zu können. Alle Beteiligten sind zu ein Team geworden. Es ist einfach ein Geschenk, dass uns aus dem Nichts vor die Füße gefallen ist. Und jetzt packen wir das Geschenk gemeinsam aus. Wenn ich das Gefühl beschreiben müsste, mit dem ich auf die Bühne ging, dann fällt mir tatsächlich kein passenderer Vergleich ein, als die Weihnachtsfeste, die ich als Kind erlebt habe. Wenn Du aus der Kirche kommst, das letzte Weihnachtslied ist gesungen und Du weißt, jetzt kommen die Geschenke. Als sich die Tür zur Bühne öffnete wußte ich seltsamerweise schon: Es wird. Ich werde mich nicht verspielen, keine Einsetze vergessen und der Computer wird mich auch nicht im Stich lassen. Da kannst du jetzt denken: „Der Cognac“. Und vielleicht hast Du damit sogar recht.

Ok, es gab einen ganz kurzen Moment während der Show, als ich die Vibrationen der Soundanlage im Bühnenboden unter mir an den Füßen spürte und dachte: „Oh Mann, diese Vibrationen werden meinen Computer in Kürze killen!“. Besorgt fühlte ich meinem Computer den Puls und stellte erleichtert fest: Diese schwingungsdämpfende Unterlage, die ich nach der ersten Probe bestellt hatte, funktioniert – es waren nicht einmal minimale Vibrationen am Computergehäuse zu ertasten.

Und davor? Ich traf um 12 Uhr mittags als erster Musiker in der Elbphilharmonie ein, da ich am meisten aufzubauen hatte. Zu meiner Überraschung lief alles wie am Schnürchen und ich würde das Durchschnittsalter aller Elbphilharmonie-Mitarbeiter auf 32 Jahre schätzen. Aber was für ein geiler Haufen! Total professionell, gut ausgebildet, nett, entspannt, zuvorkommend, bemüht und engagiert. Bei meiner Ankunft war die Bühne noch komplett leer, nur das Licht war schon vorbereitet. Da habe ich es mir nicht nehmen lassen, als erstes die Gitarre auf der Bühne des großen Saals kurz auszupacken und „Helter Skelter“ zu spielen. Und wie der Zufall so will: Da läuft mir der Tobias (ein Bekannter von der „Ableton User Group Hamburg“) über den Weg und kommt auf die glorreiche Idee, davon ein paar Bilder zu machen. Nur seinetwegen habe ich jetzt ein paar Fotos von diesem besonderen Moment.

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War das ein Einstieg in den Tag! Und mit jeder Viertelstunde war ich weniger eingeschüchtert von der Elbphilharmonie, mit jeder halben Stunde wurde sie kleiner und am Ende hatte meine Nervosität nur noch die Größe der Bühne. Immerhin. Es machte schon einen großen Unterschied, dass dieses Konzert in der Elbphilharmonie stattfand, und nicht in der Stadthalle Kassel. Zuerst einmal, weil dieser Raum für Musik gemacht wurde. Ich könnte jetzt eine lange Reihe von Konzerten nennen mit unterirdischem Sound (der Gipfel sicherlich „The Cure“ 2016), die ich in der Barclaycard-/O2-/Colorline-Arena gehört habe – weil diese Halle durch ihre Abmessungen und Materialbeschaffenheit niemals für Musik konzipiert war. Aber ich würde noch weiter gehen und sagen: Die Elbphilharmonie quasi sechstes Bandmitglied. Und wenn Du schon einmal selbst als Zuhörer da warst, dann hast Du die Erfahrung und Zuversicht, das Publikum kommt mit einem besseren Gefühl und positiverer Grundstimmung bei seinem Sitz an, als in vielen anderen Konzerthäusern. Und das gilt auch für die Musiker. Da kannst Du wieder den Weihnachtsvergleich machen, weil „Stadthalle“ wie Wohnzimmer an den anderen 364 Tagen des Jahres und „Elbphilharmonie“ hingegen wie 24. Dezember und natürlich der Tannenduft, die bunten Kugeln, Kerzen, die besinnliche Stimmung und alles.

Die Zeit von meiner Ankunft bis zum Konzertbeginn verging wie im Flug: Kabel stecken, Soundcheck, mit Tobias quatschen. Aber auch: Immer wieder auf´s Telefon schauen, weil quasi minütlich neues „toi toi toi“ und „Alles Gute für heute!“ ankam.

Und damit möchte ich auch diesen Blog-Block beenden: Mit Euch! Ich habe in den letzten Wochen so viel Unterstützung, Zuspruch und warme Worte von Euch bekommen, für die ich mich an dieser Stelle bedanken möchte und muss. Ich wurde regelrecht von einer Welle guter Vibes auf die Bühne der Elbphilharmonie getragen. Phänomenal! Egal, ob es um emotionale, technische oder musikalische Unterstützung ging – jeder von Euch hat zum Gelingen dieses Abends beigetragen. Und wenn ich mir anschaue, wer an diesem Abend alles da war: Familie, Freunde, Schüler, ehemalige Schüler, Kollegen, Weggefährten, … Auch wenn dem Internet gerne nachgesagt wird, es wäre vor allem ein Vehikel zur Selbstdarstellung – diesen Blog-Block habe ich vor allem für Euch geschrieben, um Euch an dieser ungewöhnlichen Zeit teilhaben zu lassen. Ohne Euch wäre das ne ziemlich trostlose Veranstaltung gewesen. Ich hoffe, mit diesem Blick hinter die Kulissen euch etwas mitgenommen zu haben durch diese bewegte Zeit.

Und das war´s. Gestern hab ich nen dreistündigen Mittagsschlaf gemacht. Heute war ich erstmal im Schwimmbad. Zwei Stunden im Kinderbereich. Mein Ziel (wäre toll, muss aber nicht…): Die dreijährige Tochter soll den Kopf für ne Sekunde unter´s Wasser machen. Motivationsansprache von mir:

„Wenn Du den Kopf nicht ins Wasser tauchst, dann kannst Du keine Fische sehen!“.

Sie: „Wieso? Ich kann die Fische doch angeln?!“.

Und dann weißt Du, Du bist noch lange nicht am Ziel…

Als letztes: Mein besonderer Dank dem Schriftsteller Wolf Haas, dem Erfinder vom „Brenner“, der mir einen kompakten Schreibstil an die Hand gegeben hat, mit dem es mir auch in hektischen Zeiten möglich war, für Euch zu schreiben.

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Elbphilharmonie – Teil 6

Natürlich die Geschichten immer interessant: Der Bono der Tina am Swimmingpool das „Golden Eye“ gemacht. Der Zappa den Rauch auf dem Wasser.. Da kannst Du schon hinter jedem Lied eine Geschichte finden. Aber nicht immer Swimmingpool oder Feuer. Manchmal auch HVV und öffentlicher Nahverkehr. Weil die „Grüne Reise“ vom Reichel in meinen Computer überspielt und remixen erwünscht. Da treffe ich einen Freund in einem Hotel am Flughafen und halbe Weltreise zurück ins eigene Bett. Da kannst Du in Hamburg um 23:30 Uhr viele Stationen kennenlernen, weil Umsteigen hier, und Umsteigen da und fast schon letzte Bahn. Aber die App. Da kannst Du ja schon genau sagen, Du willst von „A“ nach „B“ und Uhrzeit und Datum und alles. Aber dann hast Du Dir das Wiener Schnitzel bestellt, den Grappa, die Nachspeise, den Rotwein und dann fährst Du mit der Bahn vielleicht einmal in die falsche Richtung.

Da kannst Du jetzt zurückrudern und die alte Verbindung, oder noch etwas weiter in die falsche Richtung, dafür aber dann letzte S1 nach Wedel und 45 Minuten ungestört den Computer machen. Und natürlich umsteigen und Bahnhöfe kennenlernen nicht so attraktiv wie die durchgehende Verbindung. Gute Entscheidung. Das Musikmachen im Studio immer auch zielorientiert, aber in der S-Bahn nur Zeitvertreib. Aber da bekommst Du auf einmal die besten Einfälle, weil alles eh egal und „speichern unter“ und keine Erwartungen. Da bist Du plötzlich ganz relaxed und loopst die seltsamsten Stellen, aber alles wie am Schnürchen. Einfälle, die Du im Studio niemals gehabt hättest.

Aber jetzt pass auf: Da bist Du völlig in Deiner Welt versunken, Kopfhörer, Grappa, Nachspeise, und dann schaust Du auf der gesamten Fahrt nur einmal kurz aus dem Fenster und was siehst Du?

Das Haus vom Reichel.